Eröffnungsrede der Präsidentin zum Königsball 2018
Sehr verehrte Gäste,
liebe Schützenschwestern und Schützenbrüder!
Schützenbrauchtum hat in Deutschland bereits eine lange Tradition. Der Ursprung ist im Mittelalter zu finden, als die Städte sich gegen Plünderer schützen wollten. Die Verteidiger fanden sich in
Vereinen zusammen, welche ähnlich einer Bürgerwehr aufgebaut waren. Im Jahr 924 erlies König Heinrich I ein Gesetz, das die Bürgerwehren zum Teil der Stadtverteidigungen erklärte.
Diese Gilden hatten viele Privilegien, darunter das Recht, fremde Schützenvereinigungen zu treffen, um Wettschießen durchzuführen. Diese Veranstaltungen bekamen schnell Volksfestcharakter,
dienten jedoch hauptsächlich zur Übung und zur Musterung!
Heute ist der militärische Hintergrund weit nach hinten gerückt, doch einige Traditionen und Bräuche sind bis heute geblieben. Viele Schützenvereine halten an ihnen fest, weil sie nicht nur ein
Teil der Geschichte des Vereins sind, sondern auch für den Zusammenhalt sorgen. Sie werden mit Stolz an die nächsten Generationen herangetragen.
Im Dezember 2015 nahm sogar die Deutsche UNESCO-Kommission und die Kultusministerkonferenz das „Schützenwesen in Deutschland“ in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf. Das
Schützenwesen ist vielerorts ein wichtiger, historisch gewachsener und lebendiger Teil der lokalen Identität. Es umfasst eine große Anzahl von Bräuchen und Traditionen, die in ganz Deutschland in
unterschiedlichen Erscheinungsformen verbreitet sind. Vor allem in Niedersachsen und in Bayern werden Volksfeste im großen Stil veranstaltet. Aber auch in Hessen wird die Tradition lebendig
gehalten. Im Zentrum steht der Wettstreit um den Schützenkönig. Ein hoch angesehenes Amt, welches einem im Mittelalter noch ein Jahr Steuerfreiheit einbrachte. Je nachdem, in welcher Region man
sich befindet, gibt es unterschiedliche Regelungen, wie die Ermittlung des Schützenkönigs abläuft.
In unserem Verein wurde das Königsschießen lange Jahre nach Ringwertesystem auf die Meisterscheibe durchgeführt. Der beste Schütze mit der höchsten Ringzahl, sprich mit dem besten Schuss, gewann
den Wettstreit um die Königswürde. Im Jahre 1995 wollte man das Königsschießen transparenter gestalten und führte das Schießen auf den Vogel ein. Anders, wie im Mittelalter früher, findet das
Schießen natürlich nicht auf einen echten Vogel, sondern auf eine hölzerne Adlerfigur statt. Die Regeln für das Königsschießen besagen, dass nicht der Vogel selbst beschossen werden darf, sondern
es gilt den Holzstamm, auf dem der Vogel thront zu durchschießen.
Aber meine Damen und Herren, wir wären nicht in Deutschland, wenn nicht das Bundesministerium selbst eine Vorgabe, eine Richtlinie für das Vogelschießen herausgebracht hätte. Diese gilt
allerdings für den im Kugelfang schwebenden Vogel, eine andere Variante des Königsschießens, wie sie bei uns nicht praktiziert wird. Hier werden zuerst die Insignien Krone, Reichsapfel und
Zepter, welche an die Herrschaftszeichen der Könige angelehnt sind, geschossen. Danach sind die Flügel des Vogels an der Reihe, diese stehen für die Position des 1. und 2. Ritters und die
Königswürde erlangt letztendlich der, dessen Schuss den Rumpf des Vogels zu Boden fallen lässt.
Den Begriff „Schützenkönig“ hat wohl jeder schon einmal gehört, ganz gleich, ob er mit den Gepflogenheiten eines Schützenvereins vertraut ist oder nicht. Was sich jedoch hinter diesem Titel
verbirgt, wissen allerdings nicht alle.
Schützenkönig werden ist an für sich nicht schwer! Musste man früher bei der Ausübung auf die Meisterscheibe noch ein geübter Schütze sein, reicht heute beim Schießen auf den Holzadler manchmal
schon ein Quäntchen Glück. Gar mancher ringt mehrere Male Jahr für Jahr vergebens um den Königtitel, andere schießen das erste Mal auf den Vogel und haben gleich beim ersten Versuch ein
glückliches Händchen für den Königsschuss.
Bereits einige Wochen vor dem Königsschießen wird gemutmaßt, geraten und gefragt. Neugier macht sich breit! Wer wird wohl in diesem Jahr alles auf den Vogel schießen? Aber selbst wenn diese Frage
offen liegen würde, bringt das Königsschießen doch immer Überraschungen mit sich.
Die Spannung am Königsschießen baut sich im Laufe des Tages auf. Am Morgen geht das Schießen seinen Gang, meist erst nach der Mittagspause wird diesem die volle Aufmerksamkeit entgegen gebracht.
Oft geht es hier gleich zur Sache, je nachdem wie das Holz mitspielt. Oftmals steigen kurzentschlossene noch in das Schießen ein, anderen hingegen wird es im Laufe des Mittags zu riskant so dass
diese sich nicht mehr für weitere Durchgänge anmelden.
Die Frage die sich jeder stellt: Wie viel Schuss mag der Stamm in diesem Jahr vertragen?
Während das Königsschießen am Nachmittag so langsam seinen Höhepunkt erreicht, sieht man immer wieder Holzsplitter vom Stamm wegfliegen - manche sehen den Stamm sogar wackeln… Andere behaupten
wiederrum nach einem Blick durchs Fernglas, der Vogel könne noch einiges Vertragen! Aber mit Gewissheit kann man diese Frage nicht beantworten!
Die Spannung reißt einen förmlich mit - man starrt gebannt auf den Adler und oftmals denkt man: Nun ist es soweit! Aber der Vogel hat nur kurz gezuckt auf seinem Thron und lässt sich von den
Folgeschüssen der Königsanwärter nicht mehr beeindrucken! Munter geht es weiter, Runde um Runde, manchmal sogar bis in den späten Nachmittag hinein… Das Schießen ist an Spannung kaum noch zu
überbieten - und dann, ein Glücksschuss in eine schwache Stelle des Holzes, ein knacksen, ein ächzendes Geräusch durch das Splittern des Holzstammes und der Vogel neigt sich zaghaft zur Seite
oder ist gar plötzlich aus dem Visier des Schützen verwunden.
Ich glaube nicht, dass es mir gelingt das Gefühl des völlig überraschten Schützen, der gar nicht so schnell realisieren kann was gerade um ihn herum geschehen ist, und immer noch nach vorne in
die Leere schaut und den Vogel sucht, richtig zu beschreiben! Manche Könige empfinden es als Euphorie oder Freudentaumel, andere sind gar so perplex dass ihnen der an den Tag gelegte
Enthusiasmus, auf den Magen schlägt und sich im ersten Moment ein wenig Beklommenheit breit macht.
Glücklicherweise folgt gleich nach dem Königsschuss unmittelbar die „Gratulantenschlage“ mit ihren Beifallsbekundungen und Glückwünschen, was dem neuen Schützenkönig in Spe die nötige Zeit
verschafft um sich wieder zu fassen und die Situation zu überblicken. Sobald der Vogel gefallen ist, ist der Jubel groß! Der Schützenverein Bad Orb hat einen neuen König!
Was aber verbirgt sich nun hinter diesem Titel?
Nun ja, mit Steuerfreiheit können wir leider nicht dienen aber das Königsjahr liefert zahlreiche unvergessliche Momente und wertvolle Erfahrungen, die bestimmt keiner unserer bisherigen Könige
missen möchte. Der Schützenkönig ist das Herz unseres Vereins, er ist der höchste Repräsentant und geht seinen Schützenbrüdern und Schwestern als Vorbild unter Beachtung der Königsstatuten voran!
König und Jungschützenkönig, sowie auch das weitere Königshaus haben die ehrenvolle Pflicht auf sich genommen ihren Verein bei allen sich bietenden Anlässen zu repräsentieren, zu fördern und zu
unterstützen.
Dabei gestaltet sich jedes Königsjahr auf seine Weise, denn die Tradition wird zwar gemeinsam auf die gleiche Art gelebt aber von jedem König auf andere Art empfunden. Jedes Königsjahr wird vom
König und seiner Königin ganz individuell geprägt, sie hinterlassen ihre Spuren oft mit viel Leidenschaft und Herzblut und lassen das Jahr so auf ihre Weise zu etwas ganz Besonderem werden. Und
so steckt in unserem Verein, in dieser Tradition ein kleines Stückchen von all unseren bisherigen Majestäten, was unseren Brauch so bedeutungsvoll macht.
Je intensiver das Königsjahr gelebt wird, desto mehr bekommt man auch zurück - und desto mehr ist man Schützenkönig von Bad Orb.
Aber unabhängig von der Intensität - den Titel „Schützenkönig“ trägt jeder König für immer fort. Denn auch nach seiner Amtszeit gehört er fortan zu dem Kreise der Schützenkönige des
Schützenvereins Bad Orb und bildet mit den Quell, aus dem unser Verein immer wieder Kraft schöpfen kann.